insider_02_2022

9 eine Preis-Lohn-Spirale begünstigen und die Inflation hartnäckiger gestal - ten“, ergänzt Thomas Böckelmann , leitender Portfoliomanager bei Vermö - gensmanagement Euroswitch. Anders ausgedrückt: Die hohe Inflation wird erst recht zum Problem, wenn sich eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzt. Dies hat in den USA bereits 2021 begon - nen. Industrieunternehmen standen also unter großem Druck, ihre Aufträge zu erfüllen. Dementsprechend sind sie auch zunehmend bereit, immer höhere Löhne zu zahlen. „Im Juni beschleunigte sich das Lohnwachstum sogar auf über fünf Prozent“, konstatiert das Bankhaus Metzler Ende Juli 2021. Lange Liefer - zeiten bedeuten demnach hohes Lohn - wachstum. Willem Verhagen , Senior Economist bei NN Investment Partners, gibt allerdings zu bedenken, dass die längerfristigen Inflationserwartungen nach wie vor stabil seien, und das Real - lohnwachstum liege deutlich unter dem Produktivitätsanstieg. „Beides deutet darauf hin, dass die Inflation nach Ab - klingen dieser Faktoren zurückgehen dürfte“, so der NNIP-Experte. Wiedie aktuelleArbeitsmarktsituation in den Vereinigten Staaten ist, zeigen Da - ten des U.S. Bureau of Labor. Demnach sank im Februar 2022 in 31 US-Staaten die Arbeitslosenrate, wohingegen sie in 19 Bundesstaaten stabil blieb. Alle 50 Bundesstaaten hatten im Vorjahresver- gleich weniger Arbeitslose zu vermel - den. Indes ist das Lohnwachstum ange - stiegen. Die EZB befindet sich hingegen weiter in der Zwickmühle. Reagiert sie zu straff, könnte sie die Wirtschaft, die im Vergleich zur US-amerikanischen im Zyklus hinterherhinkt, abwürgen. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Europa ist sehr heterogen. Ein Anheben der Zinsen könnte manche Volkswirtschaf- ten in Bedrängnis bringen. Die Inflation ist jedoch nicht in allen EU-Ländern der - art gestiegen wie hierzulande. Manche Mittelmeeranrainer stehen vergleichs - weise besser da (siehe Abb. 3). Stagflation – zurück in die 70er-Jahre? Stagflation wird definiert als eine Pha - se hoher Inflationsraten, die mit einem schleppenden Wirtschaftswachstum und einer konstant hohen Arbeitslo - sigkeit einhergeht. Sie kann durch An - gebotsschocks, eine verfehlte Wirt - schaftspolitik oder eine Kombination aus beidem hervorgerufen werden. Eine Stagflation ist eine besondere Herausforderung, da die meisten Maß - nahmen zur Senkung der Inflation das Wachstum beeinträchtigen und die Ar - beitslosigkeit erhöhen können, während Maßnahmen zur Senkung der Arbeits - losigkeit die Inflation noch verschlim - mern können. Das derzeitige Umfeld mit verlang - samtem Wachstum und anhaltend hoher Inflation birgt indes große Risi - ken für das globale Wachstum. Eine anhaltend hohe Inflation kann zu einer Verschärfung der finanziellen Rahmen - bedingungen und einer schwächeren Wachstumsdynamik führen, da die Pro - duktion eingeschränkt ist und das Ver - brauchervertrauen beeinträchtigt wird. Eine übermäßig aggressive Straffung der Maßnahmen könnte zum Abbruch der wirtschaftlichen Erholung führen. Experten sehen daher ein Stagflations - risiko durchaus als temporär gegeben an „(…) weil wir es zurzeit mit diversen Angebotsverknappungen zu tun haben. Zu den bereits bekannten Störungen in den Lieferketten kommen jetzt durch den Krieg in der Ukraine noch die Ver - sorgungsengpässe im Rohstoff- und Energiebereich hinzu. Zusammen ge - nommen hat das durchaus das Poten - zial, die Wirtschaft zu schwächen – bei gleichzeitig steigenden Preisen. Firmen ohne solide Finanzierung können da schon mal Probleme bekommen“, so Dr. Brauer von Nomura AM. Auch für Portfoliomanager Böckelmann ist eine Stagflation nicht mehr auszu - schließen, für eine gewisse Zeit sogar sehr wahrscheinlich. „Dabei sind die Faktoren, die Preisniveausteigerun - gen begünstigen, nicht nur auf Energie und Rohstoffe begrenzt. Die faktische De-Globalisierung wird eine Brems - wirkung auf das Wirtschaftswachstum entfalten. Ferner machen es sich einige Marktteilnehmer zu einfach, indem sie auf den vergleichsweise geringen An- teil der Ukraine und Russlands an der Weltwirtschaft verweisen. Beide Na - tionen exportieren wichtige Rohstoffe, auf die im Weiteren eine globale Wert - schöpfungskette aufbaut.“ Alles graue Theorie? Mitnichten! Wäh - rend aktuell noch kein Ende der krie - gerischen Auseinandersetzungen ab - zusehen ist, reagieren die Märkte. So bringt Ende März 2022 in den USA die fünfjährige Staatsanleihe mehr Rendite als die zehnjährige und zumindest tem - porär sogar mehr als die dreißigjährige. Hierbei spricht man von einer Inversion, die sozusagen als Vorbote einer Re - zession interpretiert werden kann. Das bedeutet auch, dass sich Investoren auf ungemütliche Zeiten einrichten und ihre Depots entsprechend allokieren sollten. Abb. 3: Leitzinsentwicklung im Ländervergleich Quelle: finanzen.net Großbritannien USA Russland Euroland Japan 0,75 % 0,25 bis 0,5 % 20,00 % 0,00 % 0 bis −0,1 % 17.03.2022 16.03.2022 28.02.2022 10.03.2016 01.02.2016 Leitzins (Land) Aktueller Wert Seit © TA NU

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