4 5 V E R S I C H E R U N G E N Versicherers bei der Auswahl nachhaltiger Fonds. Dabei sollte sowohl auf die Nachhaltigkeitsstrategie des Fonds selbst als auch auf die der Kapitalverwaltungsgesellschaft geachtet werden. Je klarer die Auswahlstrategie des Versicherers definiert und kommuniziert wird, desto glaubwürdiger ist sie auch für den Kunden. Spätestens zum Rentenbeginn kommt auch das Sicherungsvermögen des Lebensversicherers ins Spiel, das das Vertragsguthaben des Kunden ganz oder teilweise aufnimmt. Hier gelten dann ähnliche Spielregeln wie für die eigene Kapitalanlage und den Grad der Transparenz, den das Unternehmen bietet. Nicht zu vergessen sind Garantiemodelle, die auf Wertsicherungs- oder Garantiefonds basieren. Hier muss die Nachhaltigkeit auch für die Pflichtfonds gelten und eingehalten werden. Ebenso kommt dem Sicherungsvermögen bereits in der Ansparphase durch Umschichtungsmechanismen eine entsprechende Bedeutung zu. Nur wenn diese Elemente „aus einem Guss“ sind, ergibt sich auch in der Wahrnehmung des Kunden ein überzeugendes Bild eines nachhaltigen Altersvorsorgeproduktes. : Um Versicherer zu unterstützen, haben Sie die BINL gegründet. Was war der Auslöser für die Gründung einer solchen Initiative? Glissmann: Vor etwa drei Jahren wurden wir zunächst von einem Anbieter im Bereich Bancassurance angesprochen, wie wir das Thema Nachhaltigkeit in der Lebensversicherung im Hinblick auf die Produktgestaltung einschätzen würden. Bei der näheren Recherche bot sich uns dann das Bild unendlich vieler globaler Informationsquellen zu den unterschiedlichsten Nachhaltigkeitsthemen. Normalerweise haben wir bei unseren Analysen eher das Problem, dass nicht genügend Informationen zur Verfügung stehen. Im Bereich der Nachhaltigkeit ist es genau umgekehrt: Es gibt nahezu unendlich viele allgemeine Informationen, die aber in der praktischen Arbeit kaum zu handhaben sind. Deshalb haben wir uns für unsere Betrachtung einen festen Standpunkt ausgesucht, nämlich die Lebensversicherung, und dann geschaut, welche Themen relevant sind oder sein könnten. Daraus hat sich ein eigenes Ökosystem entwickelt, in dem derzeit Lebensversicherer, Kapitalanlagegesellschaften, Banken und Sparkassen, Makler und Finanzvertriebe, Ratingagenturen, Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte vertreten sind, die sich dem Thema Nachhaltigkeit aus unterschiedlichen Richtungen nähern, aber letztlich am gleichen Treffpunkt ankommen. Derzeit hat die BINL 36 Mitglieder in unterschiedlichen Konstellationen, weitere Beitritte sind imLaufe des Jahres geplant. : Was bietet die Initiative ihren Mitgliedern? Glissmann: Ziel der BINL ist, die Übersetzung des Nachhaltigkeitsgedankens in Lebensversicherungsangebote bekannter zu machen. Viele Menschen kennen heute den Begriff Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Ernährung, Kleidung oder Reisen. Dass es auch Ansätze im Rahmen der Finanzwirtschaft gibt, ist vielen noch nicht bekannt. Auf der Website www.branchen-initiative.com finden sich daher viele Grundbegriffe und Erläuterungen zum Thema Nachhaltigkeit im Allgemeinen und in der Finanzwirtschaft im Besonderen. Wir wollen uns aber nicht auf theoretische Ansätze oder Nachhaltigkeitsziele für die Jahre 2030 und 2050 beschränken, sondern den Marktteilnehmern schon heute aufzeigen, welche Möglichkeiten es für die Gestaltung nachhaltiger Anlage- und Versicherungskonzepte gibt, wie diese zu finden und zu vergleichen sind und welche Ansätze es für die Kundenberatung geben könnte. Wichtige Bausteine dieser Kommunikationsstrategie sind darüber hinaus die monatlich kostenlos erscheinenden „BINL news“ sowie unsere regelmäßigen Veranstaltungen wie der 3. BINL-Kongress Mitte September 2023 in Zusammenarbeit mit der BCA AG oder die Begleitung von eigenen Veranstaltungen der BINL-Mitglieder für ihre Vermittler, Mitarbeiter und Kunden. Nicht zuletzt schätzen die Mitglieder auch die Möglichkeit, sich untereinander über Erfahrungen und Einschätzungen rund um das Thema Nachhaltigkeit auszutauschen. : Und was sind die Ziele für die Zukunft? Glissmann: Perspektivisch möchte die BINL zum einen ihre Basis verbreitern, d. h. weitere Mitglieder gewinnen, die möglicherweise auch aus Bereichen kommen, an die wir heute noch nicht denken. Zum anderen wollen wir dazu beitragen, den Begriff der Nachhaltigkeit in der Lebensversicherung weiterzuentwickeln und zu verbreiten. Das Ziel muss immer sein, möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich über das Thema Nachhaltigkeit zu informieren und eine qualifizierte Auswahlentscheidung für die eigene Kapitalanlage oder Altersvorsorge zu treffen. Natürlich werden die Lebensversicherer als Branche nie alle Menschen als Kunden erreichen, und nicht jeder wird sich für Nachhaltigkeit entscheiden. Aber mit zunehmendem Wissen wird sich das Bewusstsein ändern und damit auch die Bereitschaft, eine nachhaltige Altersvorsorge abzuschließen. Letztlich gehen wir davon aus, dass es ab 2030 keine nicht-nachhaltigen Finanzprodukte mehr geben wird, weil sich der Aufwand für separate Produktlinien einfach nicht mehr rechnet.
RkJQdWJsaXNoZXIy MTA1Mzk2Nw==