insider 03/2020 online

JAHRE GOTHAER : 200 Jahre Gothaer. Eine stolze Zahl. Wie kam es dazu, dass Ernst Wilhelm Arnoldi einst mit der Gothaer Feuerversicherungsbank einen deutschen Versicherungs- verein auf Gegenseitigkeit für den deutschen Handelsstand gründete? Oliver Brüß: Anfang des 19. Jahrhunderts gab es noch kei- ne größeren deutschen Versicherer. Die englischen Anbieter nutzten ihre Monopolstellung für hohe Beiträge und dürftige Leistungen. Den letzten Ausschlag hat dann der Brand in einer Gothaer Tabakfabrik gegeben, die bei der Londoner Feuer- versicherung Phoenix versichert war. Als die Phoenix einmal mehr die Zahlung verweigerte, entschloss sich Arnoldi, das nicht länger hinzunehmen. Seine Idee: Die deutschen Fabriken und Manufakturen gründen gemeinsam eine Feuerversicherung. Alle Kaufleute haben ein ähnliches Risiko, jeder zahlt einen ge- wissen Betrag in die Versicherung ein und aus diesem Geld werden dann die Schä- den der versicherten Unternehmen be- glichen. Damit wurde das Prinzip der Gegenseitigkeit geboren. Anlässlich ihres 200-jährigen Jubiläums hatte die Gothaer Versicherung am 2. Juli 2020 einen Zukunftskongress mit wichtigen Gästen aus der Branche und ein großes Sommerfest für die eigenen Mitarbeiter und deren Familien geplant. Beides musste aufgrund der Corona-Pandemie ins nächste Jahr verschoben werden. Dennoch wird der Geburtstag dieses Jahr gefeiert, indem etwa in der Jubiläumswoche eine Ausstellung zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Gothaer eröffnet wird, die dann auch digital zur Verfügung stehen wird. Diesbezüglich unterhielt sich die insider-Redaktion mit Oliver Brüß, Vertriebsvorstand im Gothaer Konzern, über die Anfänge und die Entwicklung des Kölner Versicherers. 46 : In welchen Bereichen wollte er mit seiner Pro- duktlösung einen Mehrwert anbieten? Brüß: Im ersten Schritt bot das Unternehmen eine klassische Feuerversicherung an. Versichert wurden zunächst nur wech- selfähige Kaufleute, Apotheker, Buchhändler und Fabrikbesit- zer „von unbescholtenem Rufe“. Als etwa Prinz Leopold von Coburg, der spätere König von Belgien, um eine Versiche- rung ersuchte, lehnte die Bank ab – der Prinz war kein Kauf- mann. Heute können sich natürlich auch Privatkunden bei der Gothaer versichern, aber wir sind noch immer ein führender Partner des Mittelstands. : Ein Lebensmotto von Arnoldi lautete: „Du handelst für dich, wenn du für andere lebst.“ Wird diese Verhaltens- regel auch heute noch in der Unternehmensphilosophie der Gothaer gelebt? Brüß: Dieses Motto leitet uns auch heute noch und findet sich in unserem Antrieb – „In der Gemeinschaft Werte schützen“ – wieder. Gerade in der Corona-Pandemie war die große Soli- darität innerhalb der Gothaer sehr stark zu spüren. Mitarbeiter haben zum Beispiel 7.000 Überstunden für Kollegen gespen- det, die wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht die volle Ar- beitszeit leisten konnten. Aber die Kraft der Gothaer Gemein- schaft konnten auch unsere Vertriebspartner und Kunden in der Krise erleben. Wir haben vielfältige Unterstützung ange- boten, von der entgeltfreien Rechtsberatung bis hin zu einer kostenlosen Unfallversicherung für Kinder, die nicht in die Kita oder Schule gehen konnten. : Zentraler Erfolgsfaktor war bereits damals der Vertrieb. Arnoldi soll recht schnell ein Netz von Agenten in Deutschland aufgebaut haben. Wie ist ihm das gelungen? Brüß: Ein Geheimnis für Arnoldis schnellen Erfolg war in der Tat das dichte Vertriebsnetz, das er in wenigen Jahren über alle deutschen Staaten aufbaute. Er nutzte dazu sein beste- © jirsak - stock.adobe.com Oliver Brüß ist seit dem 1. Januar 2016 Mitglied des Vorstandes der Gothaer und verantwortet seit 1. Mai 2016 als Vertriebsvorstand im Gothaer Konzern die Querschnittsressorts Vertrieb und Marketing sowie Presse und Unternehmenskommunikation. Der ausgebildete Versicherungskaufmann und Betriebswirt war zuvor viele Jahre in unterschiedlichen Führungs- positionen – etwa als Vorstand und Vorstandssprecher – bei renommierten Versicherern tätig.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTA1Mzk2Nw==