insider Ausgabe 02/20 Online

© zsv3207 - stock.adobe.com 7 Die Aktienmärkte erlebten ab Mitte Februar einen Crash historischen Ausmaßes. Allenthalben werden Vergleiche mit dem Zusammenbruch der Börsen im Oktober 1929, dem Crash von 1987, dem Bärenmarkt von 2000 bis 2003 und der Finanzkrise 2008 gezogen. Doch daraus Rückschlüsse ziehen zu wollen, kann in die Irre führen. Auch der Auslöser, die Covid-19-Pandemie, hat in der Geschichte keine beispielhaften Vorbilder. Die Vergleiche mit mittelalterlichen Pestilenzen, der Spanischen Grippe 1918 bis 1920 und den zahlreichen kleineren Seuchen der vergangenen Jahrzehnte sind immer nur in Teilaspekten auf die aktuelle Situation übertragbar. „Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ Dieses wohl fälschlicherweise Mark Twain zugeschriebene Zitat sollte sich stets vor Augen halten, wer jetzt aus der Analyse historischer Ereignisse Rückschlüsse auf die nähere Zukunft ziehen will. tum dort für zwei Quartale aus. Nach- dem das Wachstum im ersten Halbjahr 2003 fast zum Erliegen gekommen war, stieg die Wirtschaftsleistung schon im zweiten Halbjahr 2003 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um einen zweistelli- gen Prozentsatz. Auch bei vielen ande- ren viralen Erkrankungen erreichten die Infektionszahlen nach einigen Monaten einen Höhepunkt und gingen dann zu- rück. SARS blieb 2003 eine räumlich begrenzte Epidemie, wurde also nicht zu einer weltweiten Pandemie. Dies galt auch für alle nachfolgenden Seuchenausbrüche, die deshalb für die Weltbörsen keine große Belastung wa- ren: Das Denguefieber brach wiederholt in Lateinamerika aus, wurde aber sogar an den dortigen Börsen von anderen Themen in den Hintergrund gedrängt. Die Vogelgrippe sprang in verschiede- nen Varianten seit 1997 mehrfach auf den Menschen über, blieb für Wirt- schaft und Börsen aber eine Fußnote. Die Schweinegrippe H1N1 2009 er- füllte zwar aufgrund ihrer weltweiten Ausbreitung die formale Voraussetzung einer Pandemie, behinderte wegen ih- rer geringen Auswirkungen aber weder die allgemeine wirtschaftliche Erholung noch den Aufschwung an den Aktien- märkten. Auch der Cholera-Ausbruch 2010 war für Weltwirtschaft und Börsen kein Thema. Das gegenüber dem jetzigen Coronavirus SARS-CoV-2 deutlich tödlichere, aber weniger ansteckende MERS-Coronavirus konnte 2013 die damals laufende Hausse nicht aufhal- ten. Ausbrüche von Ebola 2014 und des Zikavirus Ende 2015 spielten für die Börsen keine Rolle. Der jüngste schwe- rere Ebola-Ausbruch im vierten Quartal 2018 fiel zwar mit einer heftigen Kor- rektur an den Aktienmärkten zusam- men, hatte ursächlich aber nichts damit zu tun. Epidemien und sogar Pandemien sind für die Börsen also nur in dem Umfang relevant, in dem sie wirtschaftliche Pro- zesse stören. Und trotz des vergleichs- rash an den Aktienmärkten: Nachdem ab Mitte Februar er- kennbar wurde, dass sich die chinesische Coronavirus-Epidemie zu einer Pandemie ausweiten würde, er- lebten die meisten Aktienbörsen Kurs- verluste, die gemeinhin mit dem Wort „Crash“ bezeichnet werden: Panikartige Verkaufswellen ließen Aktienindizes um zweistellige Prozentsätze abstürzen. Der MSCI Weltaktienindex verlor nach seinem Rekord Mitte Februar innerhalb von nur fünf Wochen über 30 Prozent. Viele Branchen traf es weitaus stär- ker, bspw. Tourismusunternehmen und Fluggesellschaften, deren Kurse sich nicht selten im gleichen Zeitraum hal- bierten. Schlimmer als frühere Seuchen Zu den oft bemühten Vergleichen gehört die SARS-Epidemie von 2002/2003. Das Schwere Akute Res- piratorische Syndrom, kurz SARS, hat- te ebenfalls seinen Ursprung in China und bremste das Wirtschaftswachs-

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