insider Ausgabe 02/20 Online

Ansonsten droht mitunter Etiketten- schwindel (Greenwashing). Wie wichtig hierbei eine gesamteu- ropäische Einigung ist, betont auch Richard Schmidt , Leiter Absolute Re- turn und Nachhaltigkeitsexperte bei DJE: „Ohne eine verbindliche gesamteu- ropäische Lösung in Bezug auf die De- finition von nachhaltigen Investments, auf Obergrenzen von nicht-nachhalti- gen Investments und auf die Transpa- renz dieser Investments wird die Ta- xonomie keine Schlagkraft entwickeln. Denn es wird immer wieder Anbieter von Investmentprodukten geben, die sich zwar nachhaltig nennen, es aber nicht wirklich sind. Dieser einheitlichen Regelung stehen seit Jahren die Parti- kularinteressen einzelner Länder entge- gen.“ Auch Patrick Linden , Geschäfts- führer Deutschland und Partner bei Clartan Associés, bläst in dieses Horn, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass das Korsett nicht zu eng geschnürt werden dürfe. „Die Regeln müssen ei- nen gewissen Spielraum lassen. Über- regulierung wäre hier hinderlich. Das ESG-Thema kann sehr leidenschaftlich bis dogmatisch von einzelnen Indivi- duen am Markt beurteilt und diskutiert werden“, so Linden. Rating-Mehrwert? Im Zuge der gestiegenen Bedeutung nachhaltigen Investierens werden auch die zugrunde liegenden Bewertungen immer wichtiger. So sind ESG-Ratings sprichwörtlich en vogue. Bei der Aus- wahl und Analyse (sowohl von Einzel- werten als auch von Fonds und Port- folios) sollen diese ESG-Ratings von spezialisierten Ratingagenturen als Leitfaden für eine Investmententschei- dung dienen. Merkmal ist neben um- weltpolitischen und sozialen Themen auch das vielschichtige Kriterium einer guten Unternehmensführung. Es fließen jedoch keine finanziellen Kennzahlen in dieses Rating ein. Dennoch fragen sich mitunter einige Marktteilnehmer wegen der oftmals fehlenden Vergleichbarkeit, worin der konkrete Mehrwert dieser ESG-Ratings liegt. 25 Große Player wie Systainalytics oder MSCI bescheinigen selbst Unterneh- men ein gutes Rating, wenn deren Branche durchaus auch mal in Misskre- dit geriet. Nikita Singhal , Co-Head Sus- tainable Investing und ESG bei Lazard Asset Management, bemerkt in diesem Zusammenhang: „Die von externen Ra- ting-Anbietern gelieferten ESG-Bewer- tungen sind im Allgemeinen statisch und rückwärtsgewandt. Doch nur durch die Überprüfung der Unternehmens- entwicklung, die regelmäßige Zusam- menarbeit mit dem Management und Gespräche mit anderen Stakeholdern ist es möglich, ein vollständiges und dynamisches Bild zu zeichnen. Darüber hinaus können Geschäftsentscheidun- gen nur dann richtig erfasst werden, wenn Nachhaltigkeitsfragen in einen finanziellen Kontext gebracht werden.“ Auch für Nordea-Experte Lindner geben Nachhaltigkeit-Ratings eine gewisse Orientierung, aber es bedürfe der Ver- gleichbarkeit. „Sie sollten daher als eine hilfreiche Hintergrundinformation gese- hen werden, auf die man sich allerdings nicht blind verlassen sollte“, resümiert Lindner. Für Berater und Anleger sind diese Ratings in der Summe durchaus hilfreich, dennoch nicht ausreichend, um einzig und allein darauf aufbauend die Investmentscheidung zu fällen. Hier liegt es auch an jedem selbst, sich ein- gehender zu informieren. So etwa über die Frage, wie Portfoliomanager ESG- Aspekte in ihren Investmentprozessen integrieren oder ob sie sich auch auf hauseigenes Research stützen. Fazit: Die Gründe, warum nachhaltiges Investieren nicht mehr als keine Nische abgetan werden kann, sind sehr vielfäl- tig. Über die Regulierung und gesell- schaftliche Überlegungen hinaus ist es auch tendenziell die Performance ent- sprechender Strategien. Studien legen zudem praktisch unisono zugrunde, dass die Risiken in den Nachhaltigkeits- fonds unterdurchschnittlich sind. Zu bemängeln ist zum jetzigen Zeitpunkt insbesondere die fehlende Vergleich- barkeit nachhaltiger Investmentansätze und der ESG-Ratings. << Frage > „Wie stehen Sie zu der Aussage, dass Klimawandel ein dringendes Problem ist?“ Frage > „Welche der folgenden Aspekte stellen die größten Hemmnisse beim Treffen nachhaltiger Entschiedungen dar?“ Frage > „Wer trägt die Verantwortung, dem Klimawandel entgegenzuwirken?“ (Schnitt von 100 Punkten) Regierungen anderer Länder Die Bundesregierung Unternehmen Die EU Die Medien Die Bevölkerung Die UNO Wohltätigkeitsorganisationen Zusätzliche Kosten beim Kauf nachhaltigerer Produkte/Dienstleistungen 43% Ich treffe bereits genügend nachhaltige Entscheidungen 24% Ich halte das Problem für übertrieben 15% Widersprüchliche Informationen 41% Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll 17% Ich habe andere Prioritäten 13% Quelle: Nachhaltigkeitsbarometer, Instinctif Partners/Truth 2020 4% 37% 33% 19% 7% stimme weder zu noch nicht zu stimme überhaupt nicht zu stimme nicht zu stimme zu stimme voll und ganz zu Frage > „Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Unternehmen ausreichende Schritte umsetzen, um dem Klimawandel zu begegnen?“ sehr zuversichtlich nicht zuversichtlich überhaupt nicht zuversichtlich weder noch, weiß nicht Ich glaube nicht, dass Unternehmen dem Klimawandel entgegenwirken müssen zuversichtlich 20% 23% 19% 27% 5% 5%

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