insider Ausgabe 03/19 Online
31 : Die Wirtschaft geht weltweit eher zurück. Europa macht hier keine Ausnahme. Würden Sie dennoch sagen, dass europäische Aktien auf dem aktuellen Niveau ver- gleichsweise eher zu den attraktiven Anlageklassen zählen? Fabio Riccelli: Meine Investitionsentscheidungen treffe ich grundsätzlich unabhängig vom allgemeinen wirtschaftlichen oder politischen Klima und bleibe ihnen auch in stürmischen Zeiten treu. Betrachtet man den Markt insgesamt, handelt Eu- ropa weitgehend im Einklang mit seinem langjährigen histo- rischen Durchschnitt. Es gibt weniger offensichtlich günstige Aktien als vor einigen Jahren. In jedem Markt finden Sie jedoch Unternehmen, die günstig oder teuer sind. : Was bereitet Ihnen, auch angesichts der jüngsten EU-Wahl, mit Blick auf den Kontinent Sorgen? Riccelli: Auf längere Sicht gesehen sehen sich die Aktienmärkte einigen Herausforderungen gegenüber. So wird die Ära der lockeren Geldpolitik zu Ende gehen. Die langfristigen Zinsen werden steigen. Die Frage bleibt, wie schnell und wie stark. Zusätzlich wer- den wir kürzere Wirtschaftszyklen se- hen, zudem weitere politische Heraus- forderungen. Durch die Fokussierung auf die Bottom-up-Analyse bin ich aber weniger abhängig von Progno- sen und Makroindikatoren wie Zinsen oder Rohstoffpreise. Ich werde meinen Anlageansatz nicht ändern, auch wenn wir in ein steigendes Zinsumfeld ein- treten. Die Konjunktur hat sich weltweit abgekühlt. Insbesondere die eu- ropäische Wirtschaft trifft die nachlassende Konjunkturdynamik, zumal sie stark von externen Faktoren abhängig ist. Hinzu kommen politische Krisenherde auf dem Kontinent. Weshalb der europäi- sche Aktienmarkt trotzdem lukrative Kaufgelegenheiten bietet und wie sich Wachstumswerte finden lassen, dazu stand Fabio Riccelli, Fondsmanager des Fidelity Fund European Dynamic Growth, Rede und Antwort. : Wie wird sich der Brexit-Effekt auf Europa aus- wirken? Riccelli: Investoren neigen zu Überreaktionen und übertreiben kurzfristig die Auswirkungen des politischen und wirtschaftli- chen Wandels. Die durch den Brexit verursachte Marktvolati- lität hat z. B. einige attraktive Einstiegspunkte für in Großbri- tannien ansässige Qualitätsunternehmen wie die Auto Trader Group geschaffen, die auf ihrem Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, ein strukturelles Wachstum verzeichnet und sehr viel Cash generiert. Da das Portfolio Aktien umfasst, die zu 90 bis 100 Prozent von endogenen Variablen abhän- gig sind, sollten die im Fonds gehaltenen Unternehmen trotz kurzfristiger Störungen weiter wachsen können. : Deutschland galt immer als Hort der Stabilität Eu- ropas. Sind deutsche Aktien nach der guten Performance im ersten Halbjahr immer noch per se einen Kauf wert? Riccelli: Ich finde in Deutschland nach wie vor eine Reihe in- teressanter Unternehmen. Mit knapp über 17 Prozent haben deutsche Ak- tien die zweithöchste Gewichtung im Portfolio. Dies beruht aber auf einer fundamentalen Bottom-up-Analyse und nicht auf Top-down-Betrachtun- gen. Zu den Investments zählen sehr gut aufgestellte Unternehmen wie z. B. SAP oder Scout24. : Sie sind Stockpicker mit Fo- kus auf Wachstumswerte. Können Sie uns Ihren Ansatz kurz darlegen? Riccelli: Viele Growth-Manager schau- en vor allem auf das Wachstum der Unternehmen, fast unabhängig von der Bewertung. Ich habe immer die Bewertungen im Blick und suche kon- sequent nach unterbewerteten Aktien von Firmen mit überzeugendem Ge- schäftsmodell – also Qualitätsunter- nehmen. „Growth“ und „Value“ – das sind für mich zwei Seiten einer Medail- le. Wenn ich auf der Suche nach einem lohnenden Investment bin, will ich auch einen günstigen Preis zahlen. << © photoschmidt - stock.adobe.com
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