insider Magazin - Ausgabe2
44 mso mehr überrascht es daher, dass es hier einen Pa- radigmenwechsel seitens der Gesetzgebung gegeben hat. Am 17. August 2017 wurde das Betriebsrenten- stärkungsgesetzt (BRSG) verabschiedet. Das ist so weit noch nichts Neues bezogen auf die bis dato geltende Rechtspre- chung in der bAV. Neu ist, und hier kommt der Paradigmen- wechsel zum Tragen, dass erstmals ein Durchführungsweg zugelassen wurde, bei dem keine Garantie oder gar eine Sub- sidiärhaftung des Arbeitgebers greift. Denn hier gilt das Prin- zip „pay and forget“. Aber was bedeutet das genau? Das BRSG wurde zum 1. Januar 2018 scharf geschaltet. Ne- ben umfangreichen Änderungen wie z. B. der des für den Arbeitgeber verpflichtenden Zuschusses in Höhe von 15 Prozent auf die Sozialversicherungsersparnis ab 2019 für Neuverträge bzw. ab 2022 für Bestandsgeschäft wurde vom Gesetzgeber erstmals die reine Beitragszusage zugelassen – ein absolutes Novum in der sonst so konservativen Welt der betrieblichen Altersvorsorge. Neu ist ebenso, dass der Arbeit- nehmer das Anlagerisiko trägt und der Arbeitgeber insoweit außen vor ist. Regelte das BetrAVG bis dato das Schutzverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ist jetzt neu, dass dieses auch das Schutzverhältnis zwischen Versorgungseinrichtung und Arbeitnehmer regelt. Was genau ist eine reine Beitragszusage? Bei einer reinen Beitragszusage sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich die Zahlung der Beiträge zu. Garanti- en gibt es nicht. Der Arbeitnehmer weiß also zum Zeitpunkt des Abschlusses nicht, welche Leistung er am Ende der Lauf- EIN NOVUM IN DER bAV: DAS SOZIALPARTNERMODELL Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) in Deutschland unterliegt strengen Regularien und Anforderungen an die Produktgeber. Seit dem Jahr 1974 „wacht“ das BetrAVG darüber, dass der Versicherungsnehmer bei der Durchführung der bAV entsprechend geschützt ist. Es ist z. B. klar geregelt, dass der Arbeitnehmer am Ende der Vertragslaufzeit mindestens seine eingezahlten Beiträge zurückbekommt. Hinzu kommt die sog. Subsidiärhaftung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG des Arbeitgebers in allen Durchführungswegen der bAV. zeit zu erwarten hat. Darüber hinaus trägt er das komplet- te Kapitalanlagerisiko während der gesamten Laufzeit. Eine Einstandspflicht seitens des Arbeitgebers ist ebenfalls nicht vorhanden. Im Gegenteil: Es gilt sogar ein Garantieverbot. Weiterhin hat der Versorgungsberechtigte nur das Recht auf eine lebenslange Rente. Ein Kapitalwahlrecht ist ausgeschlos- sen. Die Abführung eines Sicherungsbeitrages ist optional und obliegt den Tarifparteien. Der geneigte Leser wird schnell feststellen, dass dieses Mo- dell nicht den eingangs geschilderten Anforderungen des Be- trAVG entspricht. Aus diesem Grund behält der Gesetzgeber dieses Modell auch den Tarifparteien vor. Die reine Beitrags- zusage ist zudem tarifdispositiv. Durch die arbeitsrechtliche Flankierung der „neuen“ Zusage- art in § 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG und § 24 BetrAVG sowie die Berücksichtigung im VAG unter § 244 Abschnitt a–d wird deutlich, dass der Gesetzgeber großen Wert auf den Ausbau der bAV in deutschen Unternehmen legt. Zumindest in der Theorie. Aber was bedeutet das nun für die Praxis? Und wurde das Sozialpartnermodell in der Praxis schon erfolgreich umgesetzt? Das Sozialpartnermodell kann nur zum Tragen kommen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter bei Tarifverhandlun- gen aufeinandertreffen. Wird im Rahmen der Tarifverhand- lungen Einigung darüber erzielt, dass die bAV aufgenom- men werden soll, findet eine entsprechende Ausschreibung hierzu statt. Zum heutigen Zeitpunkt ist kein Fall bekannt, bei dem das Sozialpartnermodell mit der reinen Beitragszusage © Luis Louro - stock.adobe.com
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NzA3OTc4