insider 04/21
19 © MemoryMan - stock.adobe.com auch der neue Fünf-Jahres-Plan beschlossen. Er soll das Land wirtschaftlich noch kraftvoller machen. In Peking nennt man es „doppelter Wirtschaftskreislauf“. Export und Binnennach- frage sind fast gleichbedeutend. „Nachfrageseitige Reformen, die zu einem Anstieg der Inlandsnachfrage beitragen, führen zu Verbesserungen in Chinas sozialem Sicherungssystem und einer Verringerung der Einkommens- und Vermögens- ungleichheit. Diese Politik sollte zu einem geringeren, aber nachhaltigeren Wachstum führen, verglichen mit der schul- denfinanzierten, auf Infrastrukturinvestitionen ausgerichteten Politik, die zur Stimulierung der Wirtschaft nach der globalen Finanzkrise umgesetzt wurde“, fasst Joep Huntjens , Head of Asian Fixed Income bei NN Investment Partners zusammen. Klar ist, die chinesische Politik zielt darauf ab, sich gegenüber globalen Unwägbarkeiten widerstandsfähiger zu machen. Das Wachstum soll auf solidere Füße gestellt werden. Dass der Machtanspruch Chinas im internationalen Konzert weiter groß ist, zeigt sich auch am Freihandelsabkommen RCEP. Mit der Unterzeichnung der Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) haben im vergangenen Jahr 15 asiatische Staaten die größte Freihandelszone der Welt ins Leben ge- rufen. Rund ein Drittel der Weltbevölkerung leben in diesem Staatenraum, das seinerseits knapp 30 Prozent zumWelthan- del beisteuert. China ist der zentrale Anker dieses Bündnis- ses. Im Herbst 2021 wurde bekannt, dass Peking zudem dem Pazifik-Freihandelsabkommen CPTPP beitreten möchte. Auch ein Puzzleteil auf demWeg zur Weltmacht Nummer eins. „Grüne Revolution“ und staatliche Regulierung Was manchen Außenstehenden in dieser Form überraschen mag, ist das Ausmaß der staatlichen Intervention/Regulierung in der jüngeren Vergangenheit. „Aufsehen erregte Präsident Xi mit seinen Attacken auf prominente Großunternehmen wie z. B. Alibaba, Tencent oder Didi. Unter dem Namen `Wohl- stand für alle` wünscht die KP eine stärkere Teilhabe der Be- völkerung an der Wohlstandsentwicklung in China. Ins Visier des Regimes geriet vor allem die Videospielindustrie sowie private Bildungsunternehmen“, konstatieren Ufuk Boydak und Dr. Christoph Bruns , Fondsmanagement bei der LOYS AG gegenüber dem insider. So strafte China den mächtigen Online-Handelskonzern Alibaba im Frühjahr massiv ab und verhängte eine Geld- buße von mehr als 2 Mrd. Euro. Offizielle Begründung: Der Konzern habe seine marktbeherrschende Stellung seit Jahren ausgenutzt. Unlängst machten Gerüchte die Runde, wonach die Regierung in Peking den Zahlungsdienst Alipay offen- bar zerschlagen will. Die großen weltweit agierenden Tech- Konzerne mit ihrer „unkontrollierten“ Geschäftstätigkeit sind der Führung zunehmend ein Dorn im Auge. Denn das passt so gar nicht zur Vision des „Wohlstands für alle“, den Peking für sich reklamiert. Was wir indes verstärkt wahrnehmen, ist eine „grüne Revolution“ im roten Reich der Mitte. In Branchen, die mit E-Autos und Batterie-Technik zu tun haben, läuft es gut in China. Denn diese Industriebereiche werden von der Staats- und Parteiführung besonders gefördert. „COVID-19 erinnert uns daran, dass die Menschheit eine grüne Revoluti- on in Gang setzen und sich schneller eine umweltfreundliche Lebensweise aneignen sollte“, betonte Staatspräsident Xi Jin- ping im Herbst 2020. Devan Kaloo , Global Head of Equities bei abrdn, sagt in ei- nem aktuellen Marktkommentar, dass die Regierung ganz gezielt das Streben nach heimischer Technologieführerschaft in Branchen wie der Halbleiterindustrie forciere. „Da in China derzeit eine grüne Revolution mit starkem Engagement für Netto-Null-Emissionen stattfindet, wird der Versorgungs- sektor gerade grundlegend umgebaut. Den Immobiliensektor könnte es härter treffen, da erschwinglicher Wohnraum zu den Prioritäten der Regierung gehört“, so Kaloo. Chancen bleiben Insgesamt scheint es so zu sein, dass Peking um das Stottern der Wirtschaft weiß, es in der Hand hat, nötige geld- und fis- kalpolitische Impulse zu setzen, um auf Spur zu bleiben. ESG ist kein Fremdwort mehr im Reich der Mitte. Und der geflügel- te Begriff „too big to fail“ trifft nicht mehr zu. Die politischen Machthaber wissen um manche Exzesse insbesondere im Im- mobilienbereich und sind nicht mehr gewillt, Rettung – kos- te es was es wolle – anzubieten. Im Vergleich zum globalen Aktienmarkt schnitt China bis dato 2021 schlechter ab; das könnte durchaus als Chance gesehen werden. <<
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